Einleitung - Mathematische Modelle
Wir lernen theoretische Grundlagen wissenschaftlicher Modelle kennen.
Was ist ein Modell?
Ein Modell ist ein Konzept aus der Wissenschaftstheorie. Es dient dazu, ein Objekt aus der Wirklichkeit in wissenschaftlicher Fachsprache darzustellen. Es wird durch 3 Merkmale gekennzeichnet:
- Abbildungsmerkmal: Das Modell bildet einen Sachverhalt oder ein Objekt aus der Wirklichkeit ab.
- Verkürzungsmerkmal: Das Modell erfasst nicht alle Eigenschaften des Objekts, das es abbildet. Eigenschaften, die für die Anwendung unwichtig erscheinen, werden vom Modell nicht erfasst.
- Pragmatisches Merkmal: Das Modell wird im Hinblick auf einen Zweck erstellt. Insbesondere orientiert sich die Verkürzung des Modells an den Anforderungen dieses Zwecks.
Folgerungen aus den Merkmalen
- Es gibt im Allgemeinen mehrere Modelle des selben Sachverhalts.
- Einem Modell kann ein Gültigkeitsbereich zugeordnet werden: Es gilt nur unter bestimmten Voraussetzungen. Verschiedene Modelle des selben Objekts können daher in verschiedenen Situationen eingesetzt werden. Ändern sich die Voraussetzungen, dann ist gegebenenfalls ein anderes Modell besser geeignet, den Sachverhalt zu beschreiben.
- Die Modelle sind nicht mit den tatsächlichen Objekten identisch. Wenn wir unerwartete Resultate erhalten, dann kann es daran liegen, dass unser Modell an seine Grenzen stößt. Theorien, die im Modell funktionieren, können in der Realität dennoch scheitern.
Beispiele
- In der Physik beschreiben wir die Bewegung von Objekten durch die newtonschen Gesetze. Das ist das Modell der newtonschen Mechanik. Es hat einen begrenzten Gültigkeitsbereich, denn für Objekte, die sich mit einer sehr hohen Geschwindigkeit (nahe der Lichtgeschwindigkeit) bewegen, liefert das Modell keine brauchbaren Ergebnisse mehr. Hier ist der Gültigkeitsbereich durch die Geschwindigkeit der bewegten Körper eingeschränkt.
- Es gibt verschiedene Atommodelle, die aufeinander aufbauen. Hier werden durch das Verkürzungsmerkmal unterschiedlich viele
Eigenschaften der Atome berücksichtigt oder vernachlässigt:
- Das Daltonmodell beschreibt Atome als kleinste, unteilbare Grundbausteine der Materie, macht aber keine Aussagen über den inneren Aufbau der Atome.
- Im rutherfordschen Modell bestehen Atome aus einem (sehr kleinen) Atomkern und den Elektronen, die den Atomkern umgeben. Die Struktur der Elektronenhülle wird jedoch nicht näher untersucht.
- Im bohrschen Atommodell wird die Elektronenhülle in Schalen unterschiedlicher Radien aufgeteilt, aber weitere Aspekte der Quantenphysik werden nicht berücksichtigt.
- Das erste Modell zur Krankheitsausbreitung, das wir in der Tabellenkalkulation entwickelt haben (exponentieller Anstieg), hat einen zeitlich begrenzen Gültigkeitsbereich: Es liefert nur dann gültige Werte, solange ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung infiziert ist (fast niemand ist immun) und solange die Menschen sich noch unvorsichtig verhalten (keine Kontaktverbote etc.).
Mathematische Modelle
In der mathematischen Modellierung versucht man, Probleme aus der Wirklichkeit mit mathematischen Methoden zu beschreiben, um sie mit den Rechenmethoden der Mathematik zu lösen. Dabei gelten die oben beschriebenen Eigenschaften auch für mathematische Modelle, weswegen es zu einem gegebenen Problem viele verschiedene Modelle geben kann, die sich in ihrem Gültigkeitsbereich und unter dem Aspekt der Verkürzung stark unterscheiden können.
Im Gegensatz zu den typischen Schulaufgaben des Mathematikunterrichts gibt es bei Modellierungsproblemen keine Musterlösung. Es ist hier schwer, in richtige Lösungen und falsche Lösungen zu unterscheiden, weil nämlich die Qualität des mathematischen Modells von vielen Faktoren abhängt, unter anderem auch an der Interpretation des Modellierers.
Wir lernen in diesem Kurs verschiedene mathematische Modelle kennen, mit denen wir Krankheitsausbreitung simulieren können. Die Modelle sind in der Lage, unterschiedliche Situationen zu beschreiben und unterschiedliche Fragen zu klären.
Die Erstellung dieses Kursmaterials wurde durch den Europäischen Sozialfonds im Rahmen des Projekts Schulentwicklung für mathematische Modellierung in MINT-Fächern (SchuMaMoMINT) finanziell gefördert.