Lokale Infektionsherde
Wie ist die Dynamik einer Krankheitsausbreitung, wenn die Infektionsfälle zu Beginn nicht gleichmäßig verteilt sind? Wir betrachten die vorherigen Modelle unter der Annahme, dass die ersten Erkrankten sich zunächst alle nahe beieinander befinden.
Lokaler Infektionsherd
Dieses Modell beinhaltet die Ergänzungen des vorherigen Abschnitts, also das Social Distancing sowie das Prinzip des Erkennens und Isolierens. Die Krankheitsfälle, die zu Beginn der Simulation existieren, befinden sich alle in der linken, unteren Ecke (einem Sechzehntel der simulierten Welt).
Aufgabe
(Download des python-Codes zum Arbeiten auf dem eigenen Rechner)
Wähle deine Startparameter und mache mehrere Simulationen. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Epidemie das linke untere Viertel verlässt und zu einer Pandemie wird? Du kannst auch Social Distancing und Erkennen + Isolieren ausschalten.
Zwei Städte
In dieser Simulation ist die Welt in zwei Bereiche unterteilt, die man als zwei Städte interpretieren kann. Das Modell arbeitet mit einer klebrigen Reflexion als Randbedingung, wobei die Grenze zwischen den Städten eine Sonderrolle einnimmt. Versucht ein Individuum durch die Grenze zu gehen, dann wird per Zufall entschieden: entweder die Person gelangt in die andere Stadt, oder sie bleibt an der Grenze stehen. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Grenzübertritt wird in der Variablen grenzdurchlaessigkeit festgelegt.
Die Kranken befinden sich anfangs alle in der selben Stadt. Das Modell verfügt auch über die Komponenten Social Distancing und Erkennen und Isolieren. Ansteckungen erfolgen nur innerhalb der selben Stadt, auch wenn der Nachbarschaftsradius so groß eingestellt werden kann, dass er in der Visualisierung auf die andere Stadt übergreifen müsste.
Aufgabe
(Download des python-Codes zum Arbeiten auf dem eigenen Rechner)
Teste die Dynamik des Systems mit verschiedenen Einstellungen. Kann man verhindern, dass die Krankheit sich auch in der anderen Stadt verbreitet?
Eine Besonderheit des Modells
Wenn die Stärke des Social Distancing sehr hoch eingestellt wird, dann sollte man auch die Durchlässigkeit der Grenze verkleinern. Warum ist das so?
Social Distancing führt dazu, dass die Individuen versuchen, sich möglichst weit in der Welt zu verteilen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Personen zu den Wänden hin laufen und entsprechend häufiger wandern Personen von einer Stadt in die andere. Es wäre allerdings wenig intuitiv, wenn in einem Modell mit Social Distancing auf einmal die Reisebereitschaft der Menschen steigt, also sollte man versuchen, diesen Wert etwas zu korrigieren.
Diese Eigenschaft des Modells kann übrigens auch physikalisch interpretiert werden: Die Individuen des Modells verhalten sich wie Teilchen in einem Gas. Social Distancing wirkt auf die Teilchen wie repulsive Kräfte (man könnte sich vorstellen, die Teilchen seien alle positiv elektrisch geladen). Wenn sich die Teilchen abstoßen, versuchen sie, ein größeres Volumen einzunehmen. Der Druck auf die Außenwände steigt, und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Teilchen durch eine teilweise durchlässige Membran diffundieren.
Es ist in der Tat nicht unüblich, Modelle aus der Thermodynamik und aus der Strömungsmechanik auf Verhaltensmodelle von größeren Personengruppen anzuwenden. Daher lohnt es sich oft, parallelen dieser Modelle zu identifizieren und Forschungsergebnisse aus einer Disziplin auf die andere zu übertragen.
Die Erstellung dieses Kursmaterials wurde durch den Europäischen Sozialfonds im Rahmen des Projekts Schulentwicklung für mathematische Modellierung in MINT-Fächern (SchuMaMoMINT) finanziell gefördert.